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Warum private Bauherren Bauabrechnungen selbst nachprüfen sollten

Beim Hausbau vertrauen viele private Bauherren darauf, dass der Architekt die Bauabrechnungen schon korrekt prüfen wird. Am Ende können dadurch Leistungen und Mehrkosten anfallen, die nach Vertrag eigentlich nicht geschuldet sind.

Frau Keller* wollte eigentlich bloss das geerbte Elternhaus renovieren lassen. Dazu beauftragte sie den Architekten ihres Vertrauens mit der Planung und Bauleitung. Die Bauarbeiten kamen gut voran. Nichts deutete darauf hin, dass die Kosten aus dem Ruder laufen würden.

Als ein Unternehmer statt der offerierten CHF 23’000 plötzlich CHF 76’000 abrechnet, fällt sie aus allen Wolken. Auf Rückfrage erfährt sie, dass der Architekt die Abrechnung längst freigegeben hat. Noch bevor sie einen klaren Gedanken fassen kann, wird ihr in einer Verfügung des Gerichts mitgeteilt, dass der Unternehmer ein Bauhandwerkerpfandrecht auf ihr Baugrundstück hat eintragen lassen. Damit ist der Abrechnungsstreit bereits eskaliert. Muss sie diese Mehrkosten tatsächlich übernehmen?

Mehrforderungen brauchen eine Anspruchsgrundlage

Eines gleich vorweg: Mehrleistungen und Mehrkosten können in einem Bauprojekt legitim sein. Um aber deren Ursachen und Umfang im Blick halten zu können, machen die meisten Verträge und die SIA-Norm 118 klare Vorgaben darüber, wann und wie diese angemeldet werden müssen. Die Sicherheit wird noch erhöht, wenn gewisse Entscheidungen allein dem Bauherrn vorbehalten sind. Diese Bestimmungen erfüllen ihren Zweck allerdings nur, wenn sie umgesetzt werden.

Im Fall von Frau Keller lag der Fall so, dass der Unternehmer CHF 23’000 als Akkordsumme offeriert hatte. In der Ausführung wechselte der Unternehmer ohne erkennbaren Grund auf eine Abrechnung in Regie, also nach Aufwand. Das fiel dem Architekten nicht auf und er unterzeichnete die Regierapporte vorbehaltlos. Im Nachhinein liess sich so natürlich nicht mehr prüfen, ob dieser Aufwand legitim und in Erfüllung der Vertragsleistung oder anderweitig erbracht wurde – denn am Ende war eben alles bloss Aufwand.

Aber auch geringfügigere Abrechnungsfehler können die Rechte des Bauherrn gefährden. Z.B. sieht man häufig, dass bei Akkordleistungen keine Ausmassurkunden erstellt werden, obwohl die SIA-Norm 118 dies verlangt. Die Abrechnung erfolgt in diesen Fällen nach Augenmass. Solange die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, schaut niemand so genau hin. Das bedeutet aber, dass die Bauherrschaft kaum je von Mindermengen und Minderkosten profitiert, die es ebenso geben muss – oder dass sich hinter schlichten Mehrmengen Leistungsänderungen verstecken, die nie bestellt wurden. In manch einer Schlussabrechnung wird auf den Totalbetrag die Mehrwertsteuer aufaddiert, obwohl diese in den einzelnen Positionen bereits enthalten ist. Und solange die Unternehmerabrechnungen nicht korrekt strukturiert und belegt sind, lässt sich kaum herauszufinden, wenn dieselben Leistungspositionen mehrfach abgerechnet werden.

Wie verbreitet solche Abrechnungsfehler sind, lässt sich nicht genau ermitteln. In Abrechnungsstreitigkeiten, bei denen Anwälte hinzugezogen werden müssen, sind sie jedenfalls ein wiederkehrendes Phänomen.

Für Bauabrechnungen gilt: keine Position ohne Beleg

Bauabrechnungen sind keine gewöhnlichen Rechnungen, denn sie müssen prüfbar sein. Die SIA-Norm 118 folgt sinngemäss dem Konzept „Keine Abrechnungsposition ohne Beleg“. Positionen einer Regierechnung werden zum Beispiel jeweils mit von der Bauleitung gegengezeichnete Regierapporte belegt, Zusatzaufwand mit Tagesrapporten, ausgeführte Einheiten im Akkordvertrag mit Ausmassurkunden. Diese Dokumente sind der Beleg dafür, dass der Architekt resp. die Bauleitung die Leistungen vor Ort kontrolliert hat.

Abrechnungen müssen prüfbar sein

Im Pauschalpreis sind die ausgeführten Mengen nicht abrechnungsrelevant, weshalb sie nicht erfasst werden müssen. Dafür ist umso wichtiger, dass im Rahmen des Zahlungsplans tatsächlich nur Vertragsleistungen abgerechnet und Änderungen in Form von Nachträgen bereinigt werden. Den Beleg bilden in diesem Fall die Nachträge, welche vom Bauherrn unterzeichnet wurden. Im Pauschalpreis verschieben sich die Kontrollpflichten der Bauleitung also weg vom Preis und hin zum Leistungsumfang.

Erst mit Vorliegen einer vollständigen Dokumentation ist sichergestellt, dass die Leistungen korrekt zugewiesen, erbracht und ordnungsgemäss kontrolliert wurden. Dieses Konzept macht Unternehmerabrechnungen prüfbar.

Bauherren sind bei Abrechnungsstreitigkeiten tendenziell zu kulant

Fehlende Dokumentationen sind in erster Linie das Problem des Unternehmers. Für seine Werklohnforderung trägt er die Beweislast. Indessen können Abrechnungsstreitigkeiten ohne eine saubere Abrechnung kaum je vernünftig bereinigt werden. Daher droht auch dem Bauherrn ein möglicherweise jahrelanger Rechtsstreit. Denn aus Sicht des Unternehmers mag es sich durchaus so darstellen, dass er in guten Treuen Zusatzleistungen erbracht hat und dafür bezahlt werden will.

Als privater Bauherr wird man in dieser Situation geneigt sein, dem Druck des Unternehmers und dem Rat des Architekten zu folgen und sich „irgendwo in der Mitte“ zu einigen. Da diese „Mitte“ indirekt bereits durch die Mehrforderung des Unternehmers vorbestimmt ist, ist diese Lösung nicht gleichbedeutend mit fair. Ganz anders sieht es indessen bei professionellen Bauherren aus, die sich gegen solche Abrechnungen häufiger wehren und damit vor Gericht erfolgreich sind.

Gemäss einer Nachzählung von Urteilen des Handelsgerichts Zürich für Urteile zwischen 2014 und 2020 belief sich die Erfolgsquote von Klägern in Bausachen auf lediglich 32.05% (SIEGENTHALER/BERZ, In Bausachen vor dem Handelgericht Zürich: eine Nachzählung, in: BR/DC 4/2021, S. 193). Die Chance, sich als beklagte Partei durchzusetzen, war also im Schnitt etwa doppelt so hoch.

Diese Verteilung mag einerseits darauf hinweisen, dass das materielle Recht die beklagte Partei bevorzugt. Anderseits bedeutet dies auch, dass die Chancen der beklagten Partei – in Abrechnungsstreitigkeiten also die des Bauherrn – tendenziell unterschätzt werden.

Was private Bauherren selbst kontrollieren können

Private Bauherren wie Frau Keller sind die Leidtragenden, wenn es zum Abrechnungsstreit kommt. Wie viele anderen Bauherren hat sie darauf vertraut, dass der Unternehmer korrekte Abrechnungen erstellt und der Architekt dies überprüft. Am Ende war das leider nicht der Fall.

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Um solche Situationen zu vermeiden ist es wichtig, dass sich private Bauherren selbst mit den vereinbarten Abrechnungssystemen befassen und in der Lage sind, die Abläufe zu kontrollieren. Denn auf diese Weise können viele diffuse und schwer prüfbare Forderungen gar nicht erst entstehen. Konkret sollten sich (angehende) private Bauherren folgende Fragen stellen:

  1. Ist in den Vertragsvorlagen für Unternehmer und Architekten zweckmässig definiert, welche Vertretungsbefugnisse die Bauleitung hat und welche Entscheidungen dem Bauherrn vorbehalten werden?
  2. Wie kann der Bauherr kontrollieren, dass die Unternehmerabrechnungen korrekt strukturiert und dokumentiert sind? Dazu genügt bereits eine stichprobenartige Kontrolle. Das erforderliche Wissen ist nicht allzu kompliziert und kann leicht erarbeitet werden (z.B. durch entsprechende Recherche im Internet, einer Rechtsberatung oder unserem Onlinekurs „Bauabrechnungen in der Praxis“)
  3. Kann der Bauherr Leistungsänderungen wirksam kontrollieren? Bei Pauschalpreisverträgen wird dieser Punkt wichtiger als die Abrechnungskontrolle. Deswegen sollte hier das Augenmerk darauf gelegt werden, dass die Abläufe und Nachweise korrekt vorhanden sind. Das dafür erforderliche Wissen ist etwas anspruchsvoller als bei den Bauabrechnungen, kann aber ebenso unkompliziert erarbeitet werden (z.B. mit unserem Onlinekurs „Nachtragsmanagement: Bestellungsänderungen“)

Unter dem Strich kann also festgehalten werden, dass das Risiko von Streitfällen mit korrekten Abrechnungen deutlich gesenkt werden kann. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass dies nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden darf. Daher trifft die vielstrapazierte Redewendung in diesem Fall tatsächlich zu: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

* Der Name ist anonymisiert und der Fall wurde leicht abgeändert.

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67 % aller Bauforderungen werden vor dem Handelsgericht Zürich abgewiesen. Bleiben die Abläufe so, wie sie sind, wird sich diese Quote auch in Zukunft nicht verbessern. Es ist also ein Umdenken erforderlich.

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Für eine methodische Einhaltung der rechtlichen Anforderungen in der Baupraxis folgt die Gliederung der "APB-Methode". Diese beginnt beim Erkennen der anwendbaren Anspruchsgrundlage (A), über die Einhaltung des erforderlichen Prozederes (P), bis hin zur baubegleitenden Beweissicherung (B).

Mit den E-Learnings kann das erforderliche Wissen sehr rasch und von überall aus vermittelt werden. Sie sind daher ideal für Bauherren, Unternehmer Architekten und besonders praktisch in der Mitarbeiterschulung.

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