5 Fehler bei Bauablaufstörungen
von Thomas Risch,
Was läuft bei Bauablaufstörungen eigentlich schief?
Bei diesem Thema geht es häufig um viel Geld, um Existenzen gar. Gleichzeitig sind Bauablaufstörungen mit viel Unsicherheiten und gefährlichem Halbwissen behaftet. Damit ist Streit vorprogrammiert. In diesem Beitrag soll versucht werden, den 5 häufigsten Fehlern bei Bauablaufstörungen auf den Grund zu gehen.
Inhalt
Fehler 1: Das Wort „Bauablaufstörung“ verwenden
Das Wichtigste zuerst: Juristisch betrachtet gibt es keine Bauablaufstörung. Entsprechend nützt es wenig, die Kosten oder Terminfolgen einer Bauablaufstörung beweisen zu wollen. Denn darauf besteht kein Anspruch. In der Kategorie der Bauablaufstörung zu denken und zu handeln lenkt vom eigentlichen Thema ab und ist kontraproduktiv. Die Anspruchsgrundlagen bei Bauablaufstörungen sind und bleiben insbesondere:
- Säumnis des Bauherrn (Art. 94 Abs. 2 SIA-Norm 118)
- Besondere Verhältnisse (Art. 58 Abs. 2 SIA-Norm 118)
- Ausserordentliche Umstände (Art. 59 SIA-Norm 118)
- Bestellungsänderungen (Art. 84 SIA-Norm 118, Art. 87 Abs. 4 SIA-Norm 118)
- Beschleunigungsmassnahmen (Art. 95 Abs. 3 SIA-Norm 118)
- Fristerstreckung ohne Verschulden des Unternehmers (Art. 96 SIA-Norm 118)
Aufgabe und Ziel des Bauteams ist es daher, diese Ursachen zu erkennen, korrekt zu dokumentieren und beim Bauherrn anzumelden. Das Wort „Bauablaufstörung“ lenkt davon nur ab.
Fehler 2: Vermischung von Ursachen der Bauablaufstörung
Forderungen aus Bauablaufstörungen sehen (fast) immer gleich aus: Der Unternehmer kommt nicht wie gewünscht voran, gerät in Verzug und hat Zusatzaufwand. Da liegt es nahe, Mehrkosten aus Bauablaufstörung geltend zu machen. Was könnte daran falsch sein?
Haben Sie schon einmal versucht, ein Gemisch aus Salz, Zucker und Mehl wieder zu trennen? Forderungen aus Bauablaufstörungen sind ein solches Gemisch. Das Problem besteht allerdings darin, dass wir für das Gemisch keinen Preis haben, sondern lediglich für die einzelnen Bestandteile Salz, Zucker und Mehl. Wie also bestimmen wir den Preis?
Auch in der (Rechts-)Praxis existiert für das Gemisch der Bauablaufstörung kein Preis. Entsprechend müssen die Kosten- und Terminfolgen mühselig auf dutzende von Ansprüchen aufgeteilt werden, welche allerdings nicht mit den erstellten Rapporten und Beweismitteln zusammenpassen. Eine Sisyphusarbeit.
Der einzige praktikable Weg zur Lösung dieses Problems besteht meines Erachtens darin, Dinge gar nicht erst zu vermischen, die getrennt geltend gemacht werden müssen. Damit ist wiederum das Bauteam gefordert, pro Ursache ein Dossier zu erstellen und zusammenzuhalten, was zusammengehört.
Fehler 3: Sich auf Mehrkosten fixieren
Sobald von „Bauablaufstörungen“ die Rede ist, dreht sich der Streit häufig um das liebe Geld. Auch das ist ein Fehler. Denn die SIA-Norm 118 ist grosszügig mit Terminerstreckungsansprüchen, aber sehr restriktiv mit Mehrvergütungsansprüchen.
Rechtlich ist es gar so, dass viele Mehrvergütungsansprüche zuerst einen Terminerstreckungsanspruch voraussetzen. In der Praxis lassen sich die Terminerstreckungsansprüche dann aber nicht beweisen, weil sich alle auf das Thema Mehrkosten konzentriert haben.
Welche Forderungen soll der Unternehmer stellen? Bei Bauablaufstörungen tut er gut daran, sich zuerst auf die Terminerstreckungsansprüche zu konzentrieren und erst dann zu prüfen, ob daraus allenfalls auch ein Mehrvergütungsanspruch zusteht.
Fehler 4: Falsche Zuordnung von Mehrkosten
Welche Mehrkosten entstehen, wenn ein Bagger wegen einer Bauablaufstörung zwei Wochen lang ungenutzt auf der Baustelle rumsteht? Oder ein Kran? Wenn 10 Mitarbeitende ineffizient sind, weil sie nicht produktiv eingesetzt werden können?
Die Antwort mag überraschen: Die Mehrkosten sind gleich Null.
Das bedarf einer Erklärung. Dazu muss man sich vor Augen führen, dass die Kosten für das Vorhalten eines Baggers, eines Krans oder Lohnkosten ohnehin entstanden wären. Sie kosten gleichviel, ob produktiv oder nicht. Die Störung führt also nicht zu Mehrkosten, sie führt lediglich zu einer verminderten Produktivität und somit zu einer Verlängerung der Bauzeit.
Mehrkosten entstehen erst, wenn in der Folge Beschleunigungsmassnahmen beschlossen werden. Oder wenn wegen einer verlängerten Bauzeit Personal und Maschinen länger auf der Baustelle eingesetzt werden müssen. Im letzteren Fall betreffen die Mehrkosten aber nicht den Zeitraum der Störung, sondern den Zeitraum, in dem die Produktionsmittel ohne Störung hätten demobilisiert werden können. Typischerweise entstehen diese „zeitabhängigen Mehrkosten“ also in der Zeit zwischen der geplanten und der tatsächlichen Abnahme am Schluss des Bauvorgangs.
Wenn Mehrkosten geltend gemacht werden, dann hat der Unternehmer sicherzustellen, dass er die Mehrkosten korrekt zuordnet und geltend macht.
Fehler 5: Ineffiziente und unbestellte Beschleunigungsmassnahmen
„Du hast zu wenig Leute auf der Baustelle“. Wenn es auf der Baustelle nicht mehr vorwärtsgeht, dann liegt der Schluss nahe, dass zu wenig Produktionsmittel zur Verfügung stehen. Es braucht also mehr Arbeitskräfte, Maschinen, Überstunden, Samstagarbeit. Hier sollte man sich allerdings vor zwei Denkfehlern hüten:
- Der erste Denkfehler besteht darin, dass mehr Produktionsmittel immer auch eine Beschleunigung bewirken. Ein spannendes Phänomen bei Bauablaufstörungen besteht bekanntlich darin, dass die Produktivität nachlässt. Die Arbeiten kommen nicht mehr voran, aber nicht, weil zu wenig Leute eingesetzt werden, sondern weil die Takt- und Serienfertigung durcheinandergerät, Einarbeitungseffekte verpuffen und ein Stop-and-Go-Bauablauf entsteht. Mehr „Chrampfe“ wird das Problem also nicht lösen, sondern führt höchstens zum Burnout. Was es stattdessen braucht, ist ein Plan, wie die Bauarbeiten normalisiert werden können. Dazu braucht es ein neues, sauber durchgetaktetes Bauprogramm. Um dies bewerkstelligen zu können, hat der Unternehmer in den meisten Fällen einen Terminerstreckungsanspruch.
- Der zweite Denkfehler besteht darin, dass für Mehrkosten aus Überstunden, Samstagsarbeit etc. automatisch ein Mehrvergütungsanspruch besteht. Dem ist nicht so. Denn juristisch betrachtet handelt es sich dabei um Beschleunigungsmassnahmen. Der Bauherr muss diese nur bezahlen, wenn er sie kostenpflichtig bestellt.
Wenn also immer ein Unternehmer „Mehraufwand aus Bauablaufstörung“ geltend macht und keinen unterzeichneten Nachtrag vorlegen kann, hat er einen schweren Stand.
Problemfelder und Fazit
Forderungen aus Bauablaufstörungen sind komplex. Ohne entsprechende Schulung der Mitarbeiter und/oder Begleitung durch einen Experten ist die Gefahr gross, dass Ansprüche untergehen.
Ein Hauptproblem besteht erfahrungsgemäss darin, dass Massnahmen aus Bauablaufstörungen für Baupraktiker kontraintuitiv sind. Es erscheint logischer und zweckmässiger, die Arbeiten zu beschleunigen und Mehrkosten zu verlangen, als ein neues Bauprogramm aufzustellen und dafür eine Terminerstreckung geltend zu machen. Was logisch erscheint, führt aber aufgrund der rechtlichen Vorgaben zum Rechtsverlust.
Ein weiteres Problem besteht häufig darin, dass Unternehmer gerade in der Anfangsphase von Baustörungen davor zurückschrecken, Entscheidungen des Bauherrn einzufordern. So vergehen Monate der Baustörungen, ehe der Unternehmer das Problem korrekt adressiert.
Das letzte und wohl wichtigste Problem liegt darin, dass der Umgang mit Bauablaufstörungen ein eingespieltes Bauteam voraussetzt. Eine Equipe, die bereits bei tagtäglichen Nachträgen Schwächen zeigt, wird bei der Nachtragslawine im Falle von Bauablaufstörungen untergehen.
Vor Bauablaufstörungen ist niemand gefeit. Die beste Vorbereitung besteht darin, dass Bauteams die üblichen Nachträge des Baualltags korrekt erkennen, anmelden, dokumentieren und bereinigen. Wenn dies gelingt, dann funktionieren diese eingespielten Abläufe auch im Falle einer Bauablaufstörung.
Häufige Fragen
Bei Bauablaufstörungen besteht der häufigste Fehler darin, dass juristische Auswirkungen von bautechnischen Massnahmen zu wenig beachtet werden, was zum Verlust von Ansprüchen führen kann.
Die „Bauablaufstörung“ ist kein juristisch definierter Begriff und berechtigt als solche nicht zu einer Mehrforderung. Stattdessen ist pro Ursache zu bestimmen, welche Anspruchsgrundlage zum Zug kommt.
Bei Bauablaufstörungen kommen häufig Ansprüche aus Säumnis des Bauherrn, Bestellungsänderungen oder Beschleunigungsmassnahmen in Frage. Zur Bestimmung der Anspruchsgrundlage ist jeweils die Ursache der Bauablaufstörung zu identifizieren.
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